Die Bioverfügbarkeit von Vollspektrum-Cannabisprodukten

Die Bioverfügbarkeit von Vollspektrum-Cannabisprodukten

Vordenker an der Schnittstelle von Philosophie, Bewusstseinsforschung und Markenstrategie. Autor international beachteter Sachbücher und Berater für Kommunikationsprozesse mit Tiefgang.

Dr. Sebastián Marincolo

Vordenker an der Schnittstelle von Philosophie, Bewusstseinsforschung und Markenstrategie. Autor international beachteter Sachbücher und Berater für Kommunikationsprozesse mit Tiefgang.

Inhaltsverzeichnis

Vollspektrum-Cannabisprodukte enthalten eine Vielzahl natürlicher Inhaltsstoffe - darunter Cannabinoide wie CBD (Cannabidiol) und THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol), Terpene, Flavonoide und andere Stoffe. Einige präklinische Studien und die Erfahrungen vieler Cannabisnutzer der letzten Jahrzehnte weisen darauf hin, dass die Substanzen auf vielfältige Weise synergistisch im Zusammenspiel wirken.

Für Nutzer von Cannabisprodukten ist es daher wichtig zu verstehen, wie diese Stoffe im Körper aufgenommen und verarbeitet werden. Dieser Artikel erklärt einige relevante Fachbegriffe und gibt praktische Hinweise, wie man die Aufnahme der wertvollen Inhaltsstoffe optimiert werden kann.

Was also ist mit "Bioverfügbarkeit" gemeint? Bioverfügbarkeit beschreibt, wie viel eines Wirkstoffs nach der Einnahme tatsächlich im Blutkreislauf ankommt und für eine Wirkung im Körper tatsächlich verfügbar ist. Bei Cannabinoiden hängt sie stark von der Einnahmeform, Begleitnahrung und individuellen Stoffwechseleigenschaften ab.

Orale Einnahme mit und ohne "First-Pass-Effekt"

Nach der oralen Einnahme durchlaufen CBD und THC verschiedene Stoffwechselprozesse. Ein wichtiger Begriff ist der First-Pass-Effekt: Wird ein Stoff geschluckt, gelangt er zunächst in den Magen-Darm-Trakt und dann in die Leber, wo ein großer Teil abgebaut wird, bevor er ins Blut gelangt.

So läuft der Abbau ab:

Delta-9-THC wird in der Leber durch Enzyme zunächst in 11-Hydroxy-THC umgewandelt. Dieser Stoff ist sogar stärker wirksam als das ursprüngliche THC und kann die Blut-Hirn-Schranke besonders gut überwinden.

CBD wird ebenfalls durch Enzyme umgewandelt, zum Beispiel in 7-Hydroxy-CBD.

Es ist wichtig, bei der oralen Einnahme zu unterscheiden, ob es sich um Produkte wie Weichgelkapseln handelt, die direkt geschluckt werden, oder z.B. um Vollspektrum-Öle (eigentlich korrekter als "Vollspektrum-Extrakte" bezeichnet), die eine Weile im Mund behalten werden. Kapseln und essbare Produkte werden geschluckt und durchlaufen den Magen-Darm-Trakt und die Leber, wodurch ein Großteil des Wirkstoffs abgebaut wird, bevor er ins Blut gelangt.

Vollspektrum-Extrakte, die sublingual (unter der Zunge) oder bukkal (über die Mundschleimhaut zwischen Zahnfleisch und Wange) angewendet werden, ermöglichen eine schnellere und höhere Aufnahme, da der Wirkstoff direkt aufgenommen wird, bevor der Rest geschluckt wird und dann den langsameren Weg über den Verdauungstrakt nimmt.

Bei der Aufnahme über die Mundschleimhaut wird ein Produkt im Mund für mindestens 60-90 Sekunden gehalten. Diese Methode ermöglicht es, dass die Wirkstoffe direkt über die gut durchbluteten Schleimhäute im Mund in den Blutkreislauf gelangen. Dadurch wird der First-Pass-Effekt in der Leber größtenteils umgangen, sodass mehr CBD oder THC tatsächlich im Körper ankommt und die Wirkung schneller einsetzt.

Inhalation per Vaporisator

Die Bioverfügbarkeit von THC und CBD bei Inhalation über einen Vaporisator liegt möglicherweise deutlich höher als bei oraler Einnahme. Studien zeigen Werte zwischen 10 und 56 %, abhängig von Gerät, Temperatur und Inhalationstechnik. Die Aufnahme erfolgt sehr schnell, da die Wirkstoffe direkt über die Lunge ins Blut gelangen. Vaporisatoren ermöglichen eine effiziente, rauchfreie Freisetzung der Wirkstoffe, wobei die Temperaturkontrolle entscheidend ist, um Cannabinoide und Terpene optimal zu extrahieren und zu schonen.

Wenn wir CBD oder THC inhalieren, gelangt der Wirkstoff direkt über die Lunge ins Blut und umgeht die Leber zunächst. Dadurch ist die Bioverfügbarkeit, also der Anteil, der tatsächlich im Körper ankommt, höher und die Wirkung tritt schneller ein.

Die Bioverfügbarkeit von Inhalation und oraler Einnahme lässt sich schwer vergleichen

Ein wichtiger Unterschied zwischen Inhalation und oraler Einnahme mit First-Pass-Effekt liegt nicht nur in der Bioverfügbarkeit, sondern auch in der Art der entstehenden Wirkstoffe.

· Inhalation: THC gelangt direkt ins Blut und wirkt schnell.

· Schlucken: THC wird in der Leber zu 11-Hydroxy-THC umgewandelt, das eine stärkere und länger anhaltende Wirkung hat als das ursprüngliche THC

Weitere Unterschiede:

· Die Wirkung nach Schlucken über den First-Pass-Effekt setzt später ein (30-120 Min), hält aber länger an (bis zu 8 Std.).

· Die individuelle Wirkung kann dabei durch Mageninhalt, Stoffwechsel und Enzymaktivität stark variieren.

· 11-Hydroxy-THC kann die Blut-Hirn-Schranke leichter überwinden, was zu einer intensiveren Wirkung führen kann.

Ein reiner Vergleich der Bioverfügbarkeitszahlen ist also irreführend, wenn es darum geht, die Einnahmeformen Inhalation versus oraler Einnahme zu bewerten: Die Art und Stärke der Wirkung der Cannabisprodukte wird nicht nur durch die Menge des aufgenommenen Wirkstoffs, sondern auch durch die Art der Umwandlung im Körper bestimmt.

Die Bioverfügbarkeit von Vollspektrum-Cannabisprodukten

Unterschiedliche Einnahmeformen und ihre Auswirkungen

Einnahmeform

Wirkungseintritt

Wirkdauer

Bioverfügbarkeit

Besonderheiten

Schlucken (oral)

30-120 Min

6-8 Std

6-19 % (CBD)

Starker First-Pass-Effekt, veränderte Abbauprodukte mit anderem Effekt

Unter der Zunge/Mund

15-45 Min

4-6 Std

13-35 % (THC/CBD)

Umgeht Leber teilweise, schnelle Aufnahme der Wirkstoffe

Inhalation (Vaporisator)

2-10 Min

2-3 Std

10-56 % (THC/CBD)

Sehr schnelle Aufnahme, hohe Effizienz

Topisch (Hautcremes, Pflaster)

30-90 Min

3-6 Std

(THC; CBD) Lokal, systemisch sehr gering

Aufnahme über Haut, Wirkung lokal, keine psychoaktive Wirkung

 

Topische Anwendung (Cremes)

Bei der Anwendung auf der Haut (z.B. CBD- oder THC-Cremes) gelangen die Wirkstoffe in die oberen Hautschichten und wirken dort lokal. Die systemische Bioverfügbarkeit ist gering, da nur ein kleiner Teil in den Blutkreislauf gelangt. Für gezielte lokale Effekte könnte diese Form jedoch sinnvoll sein, da Cannabinoide in den Hautschichten mit Endocannabinoid-Rezeptoren interagieren können.

Terpene und Flavonoide: Aufnahme und Verarbeitung

Terpene und Flavonoide sind nicht nur für Duft, Geschmack und Farbe verantwortlich, sondern generieren möglicherweise signifikante synergistische Effekte mit THC und CBD. Nach der Aufnahme - etwa durch Inhalation, oder oral in Vollspektrum-Extrakten - werden sie im Blut transportiert und meist in der Leber durch Enzyme verstoffwechselt. Wer auch möglichst viele Terpene und andere Pflanzenstoffe aufnehmen möchte, sollte auf einige Punkte achten, die im Folgenden mit aufgeführt werden.

Praktische Tipps zur Optimierung der Aufnahme

 

1. Einnahmeform gezielt wählen

· Sublingual/bukkal (Extrakte, Sprays): Tropfen oder Spray mindestens 60-90 Sekunden unter der Zunge oder zwischen Wange und Zahnfleisch behalten, um eine schnelle und effiziente Aufnahme zu ermöglichen.

· Inhalation: Bei moderaten Temperaturen (180-210 °C) im Vaporisator inhalieren, um Cannabinoide und Terpene schnell freizusetzen und eine hohe Bioverfügbarkeit zu erzielen.

· Oral (Kapseln, essbare Produkte): Mit fetthaltigen Mahlzeiten einnehmen, da Cannabinoide fettlöslich sind und so besser aufgenommen werden. Für langanhaltende Wirkung geeignet.

· Topisch (Cremes, Salben): Auf saubere, intakte Haut auftragen; diese Form wirkt lokal, die systemische Aufnahme ist sehr gering.

 

2. Produktqualität und Verarbeitung beachten

· Schonende Herstellung: Produkte wählen, die bei niedrigen Temperaturen und möglichst ohne aggressive Lösungsmittel verarbeitet wurden, um empfindliche Pflanzenstoffe wie Terpene und Flavonoide zu erhalten.

· Vollspektrum-Produkte bevorzugen: Sie enthalten das natürliche Zusammenspiel vieler Pflanzenstoffe.

· Verlässliche, natürliche Produkte: Auf geprüfte Qualität und Reinheit achten, um deklarierte Wirkstoffmengen und Sicherheit zu gewährleisten.

 

3. Lagerung und Handhabung

· Kühl, dunkel und luftdicht lagern: So bleiben Cannabinoide, Terpene und Flavonoide stabil und wirksam.

 

4. Einnahme individuell anpassen

· Aufnahmezeitpunkt bedenken: Einnahme mit Mahlzeit, vor allem mit Fett, steigert die Aufnahme, Einnahme auf nüchternen Magen kann zu schneller, aber geringerer Aufnahme führen.

· Medikamente beachten: Bestimmte Arzneimittel können die Aufnahme und den Abbau von Cannabinoiden beeinflussen - im Zweifel immer ärztlichen Rat einholen.

Fazit

Vollspektrum-Cannabisprodukte bieten eine breite Palette an Inhaltsstoffen, deren Aufnahme und Wirkung von vielen Faktoren abhängt. Die optimale Bioverfügbarkeit von Cannabinoiden und anderen Pflanzenstoffen wird durch die passende Einnahmeform, hochwertige und schonend verarbeitete Produkte, richtige Lagerung, individuelle Anpassung und bewusste Ernährung sowie das Vermeiden von Wechselwirkungen erreicht.

Die Bioverfügbarkeit kann durch die Wahl der Einnahmeform, Kombination mit fetthaltigen Lebensmitteln und richtige Temperatur beim Verdampfen verbessert werden. Ein Vergleich der Bioverfügbarkeit zwischen Inhalation und oraler Einnahme ist dabei nur eingeschränkt sinnvoll, da sich die entstehenden Wirkstoffe und deren Wirkung stark unterscheiden.

Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Beratung durch medizinisches Fachpersonal. Es werden keine Aussagen zu Heilwirkungen oder zur Behandlung von Krankheiten getroffen.

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